MEERESGEFLÜSTER
Interview No. 004
Im Gespräch mit LANIUS
Claudia Lanius & Annabelle Homann
interviewt von Elena Schröder, Mai 2024
Claudia Lanius gilt als Pionierin der nachhaltigen Mode. Sie ist die Gründerin und Designerin des Modelabels LANIUS. Gemeinsam mit ihrer Tochter Annabelle Homann und einem starken Team entwickelt sie unter dem Motto “Love Fashion. Think Organic. Be Responsible.” Lieblingsteile, die dafür gemacht sind zu bleiben.
Wir haben uns mit den beiden Powerfrauen darüber unterhalten, welche Herausforderungen es bei einer nachhaltigen Produktion gibt, was sie sich von großen Modekonzernen, Influencer:innen und Konsument:innen wünschen, und wie sie als Mutter & Tochter zusammenarbeiten.
Claudia, du bist eine Pionierin im Bereich Fair Fashion. 1999 hast du dein nachhaltiges Modelabel LANIUS gegründet. Was hat sich deiner Meinung nach in den letzten 25 Jahren im Bereich Fair Fashion getan?
CLAUDIA: Auf der einen Seite viel, auf der anderen Seite – wenn ich 25 Jahre betrachte – wenig. Ich hätte mir tatsächlich mehr Entwicklungen in den 25 Jahren gewünscht, aber als ich angefangen habe, war Fair Fashion natürlich nur eine kleine Nische und hatte ein Öko-Image bzw. war als ”Kartoffelsack” verschrien. Inzwischen ist Fair Fashion immerhin in der Gesellschaft angekommen. Die Menschen wollen nun schon eher wissen, was sie tragen, wie etwas hergestellt ist, wer dies hergestellt hat, ob die Person auch ausreichend dafür entlohnt wurde usw.
Es ist zwar in der Mitte angekommen, ich finde nur schade, dass es immer noch nicht im großen Rahmen präsent ist. Vor ein paar Jahren gab es meiner Meinung nach schon einen Durchbruch und dann kam Corona, die Energiekrise sowie die Inflation. Dadurch ist der Mensch mit dem, was ihm zur Verfügung steht, natürlich wieder am nächsten bei sich selbst. Die Nachhaltigkeit ist gefühlt wieder ein bisschen nach hinten gerutscht. Ich bin allerdings froh darüber, dass große Modekonzerne inzwischen wissen, dass sie ihre Arbeit machen müssen, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. Das ist definitiv gut.
“Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Es reicht nicht, wenn nur wir als Unternehmen unseren Job machen – auch die Konsument:innen sind dann gefragt.” – Annabelle
Was sind die größten Herausforderungen bei einer nachhaltigen Produktion?
CLAUDIA: Die größte Herausforderung ist das Ego von einigen großen Konzernen. Ich finde ja, wir müssten in Deutschland viel rigoroser sein. Wir müssten gewisse Fast Fashion Handelsketten verbieten – so etwas dürfte gar nicht erst verkauft werden. Ein T-Shirt für 6,50 €, versendet aus China, darf einfach nicht sein. Das macht mich wirklich wütend.
ANNABELLE: Es gibt natürlich super viele Themen und Herausforderungen entlang der ganzen Lieferkette. Das Thema Fast Fashion – worauf Claudia gerade schon kurz eingegangen ist – ist sicherlich noch immer eine der größten Herausforderungen. Wie können wir wieder weniger herstellen und gleichzeitig wachsen? Wir hängen ja immer noch irgendwie im Wachstumsparadigma fest. Das ist die größte Herausforderung in der Zukunft von Unternehmen. Also wie kann ich Wachstum generieren, ohne zwingend immer mehr produzieren zu müssen? Und wie kann sich auch der Konsument oder die Konsumentin in dem Ganzen wiederfinden, und ebenso ihr bzw. sein Verhalten umstellen und sagen: “Ja, ich bin bereit, für ein Teil mehr zu zahlen, wenn ich davon länger etwas habe”.
Da spielt dann auch nochmal die Meinung von Redakteur:innen, Magazinen und Influecer:innen mit rein – also alle die den Konsum schüren. Sie alle müssen mitmachen und darauf aufmerksam machen, dass es nicht nur ausreicht, dass wir als Unternehmen unseren Job richtig machen. Es wird zwangsläufig zum “neuen Normal” werden, dass wir global soziale Standards sicherstellen, dass wir Materialien aus ökologischem Ursprung verwenden, dass wir nur Chemikalien nutzen, die niemandem schaden. Ja, ich glaube, das wird alles zum “neuen Normal” werden und hoffentlich auch nicht in ganz so weiter Zukunft, aber dann haben wir immer noch das größte Problem – nämlich den Ressourcenverbrauch generell. Wir konsumieren einfach zu viel Kleidung und es landet zu viel Kleidung auf dem Müll. Dann bringt es auch nichts, wenn das Teil “super öko” ist, aber es beispielsweise eine Lebenszeit von einem halben Jahr hat. So soll es nicht sein. Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Es reicht nicht, wenn nur wir als Unternehmen unseren Job machen – auch die Konsument:innen sind dann gefragt.
“Wir brauchen nicht so viel, wir brauchen es nur in der richtigen Qualität.” – Claudia
CLAUDIA: Noch ein gutes Beispiel in Sachen Badeanzug: Ich habe meine Badesachen vor unserem Urlaub jetzt noch einmal durchprobiert und mir überlegt, welche ich mitnehme. Dazu gehört natürlich unter anderem das Modell von VOLANS, aber der ist ja auch neu. Plötzlich habe ich aus meinem Kleiderschrank einen Badeanzug eines Modelabels herausgezogen, der ca. 25 Jahre alt ist und der wie neu aussieht! Damals fragte ich mich, ob ich wirklich 220 DM für diesen Badeanzug zahlen soll, da das “ja super teuer ist”. Nein, ist es nicht, denn ich besitze ihn heute noch, er sieht toll aus und er ist immer noch zeitlos vom Schnitt her. Das ist eben genau das: Wir brauchen nicht so viel, wir brauchen es nur in der richtigen Qualität.
Welches Material ist euer all-time favorite?
CLAUDIA: Ich liebe unseren Denim sehr und ich selbst trage ihn auch sehr viel. Das ist ein italienischer Denim-Hersteller, der eine super Qualität hervorbringt – der modisch, aber eben auch sehr nachhaltig ist. Ich komme ja vom Material Hanf und liebe immer noch Bastfasern, egal, ob das Leinen oder ein Leinen-Baumwoll-Mix, 100 % Hanf oder Hanf-Mischgewebe ist. Das ist ein bisschen so eine Kernkompetenz, die ich schon immer in unserer Kollektion habe und die ich nach wie vor toll finde, weil es so ein traditionelles Material ist. Es hat einen besonders guten Tragekomfort, ist temperaturausgleichend und nimmt keine Gerüche an. Und du, Annabelle?
ANNABELLE: Ich bin ja Alpaka-Pullover-Liebhaberin. Ich trage die sowohl im Winter als auch noch im Frühjahr, denn ich liebe dieses Material. Es ist leicht und trotzdem wärmend.
“Ich wünsche mir mehr Transparenz in der ganzen Produktionslinie” – Claudia
Und mit welchen Materialien würdet ihr gerne einmal arbeiten, die bislang noch nicht in euren Kollektionen vorkamen?
ANNABELLE: Ich freue mich total darauf, wenn in der Zukunft Kreislaufwirtschaft funktioniert – wenn die Textilsortierung automatisch sortieren kann, was das für eine Faser ist und wir dann zum Beispiel auch Recycling-Fasern aus ökologisch-einwandfreien Textilien verwenden können, die unbelastet sind. Klar, die Energie muss natürlich auch nachhaltig sein, da sind wir noch nicht ganz, aber irgendwann bestimmt. Und wenn das alles künftig so ist, was wir jetzt einfach mal hoffen, dann ist das ein super spannendes Thema für uns.
CLAUDIA: Also ich habe mir ja schon viele, viele Wünsche erfüllt. Vor LANIUS hatte ich eine Firma, die hieß “THC – The Hanf Company”. Daher kenne ich mich sehr gut aus, habe schon viele schöne Naturmaterialien verarbeiten dürfen und diesbezüglich keine speziellen Wünsche mehr offen. Ich habe eher den großen Wunsch, mehr über die gesamte Wertschöpfungskette von meinem Produkt oder von der Warenkette zu erfahren und da in die Tiefe zu gehen. Was das anbelangt, “waren wir auch schon sehr tief”, aber dann kamen immer wieder Dinge, die sich verändert haben, weswegen wir abbrechen mussten.
Ein Beispiel ist unsere Zusammenarbeit mit der Firma Remei aus der Schweiz. Die haben 1993 ein ganz tolles Projekt gegründet und wir durften die Baumwollbauern in Indien und in Tansania besuchen. Wir hatten also direkten Kontakt zu dem Feld, zum biodynamischen Anbau und haben auch gesehen, welche Nöte die Anbauer haben. Wir konnten mit einer Idee unterstützen, indem wir Charity T-Shirts entwickelt haben, von deren Verkauf wir dann 3 € abgegeben haben. Damit ließe sich eine Schule aufbauen, die 60 Kindern eine Schulbildung ermöglicht. Das finde ich einfach toll! So stelle ich mir Nachhaltigkeit vor. Leider konnte die Firma Remei aus Witterungsgründen nicht mehr die Faserlänge herstellen, die wir für unsere Baumwolle brauchten. So mussten wir das Projekt irgendwann einstellen, worüber ich sehr traurig war. Aber das ist für mich das perfekte Beispiel für Nachhaltigkeit. Ich kannte den gesamten Lebenslauf eines T-Shirts, das war großartig. Dies sind Dinge, die mich wirklich bewegen und wo ich Nachhaltigkeit auch richtig spüre. Davon würde ich mir in Zukunft noch mehr wünschen in puncto Wolle oder Leinen. So eine globale Wertschöpfungskette hinzukriegen ist sehr schwer, aber es ist wirklich top! Ich wünsche mir mehr Transparenz in der ganzen Produktionslinie.
Zweimal jährlich launcht ihr neue Kollektionen. Claudia, woher ziehst du deine Inspirationen?
CLAUDIA: Ich als kreativer Mensch hole mir meine Informationen und Inspirationen tatsächlich überall her. Selbst wenn ich vor fünf Minuten nochmal auf die VOLANS Website gegangen bin, ist das wieder eine Inspiration für mich. Ich gehe in Museen und mit ganz weiten, offenen Augen durch die Welt. Natürlich habe ich tolle Magazine, die ich lese – außerdem ein ganz fantastisches Team, wodurch ich auch immer wieder inspiriert werde. Verstärkt kommen Inspirationen inzwischen außerdem über Instagram, das war früher ja nicht so. Ich lasse mich zum Beispiel von Architektur- oder Food-Profilen inspirieren – es könnte aber genauso ein:e Blumenkünstler:in sein, der:die eine tolle Farbkombination kreiert. Inspirationen kommen von überall her, wenn man offen durch die Welt geht. Viel Wissen und Ideen entstehen außerdem durch den Besuch von Fachmessen, von denen wir uns richtungsweisende Tendenzen einholen.
Wie seid ihr eigentlich auf VOLANS aufmerksam geworden?
CLAUDIA: Das war bei einem Besuch in der Schweiz. Dabei habe ich VOLANS entdeckt, bin reingegangen und habe geschaut, was sie so machen – neugierig, wie ich eben bin. Ich war mit einer Freundin unterwegs und wir probierten sofort Badeanzüge und Bikinis an; anschließend kauften wir 5 oder 6 Modelle. In dem Zusammenhang habe ich auch Ivon kennengelernt.
Mit VOLANS verbindet uns die gemeinsame “Mutter-Tochter-Story”. Ich habe Ivons Mutter Mira kennengelernt, gesehen, wie hochwertig das Material ist, das sie verwenden und wie traditionell die Schnitte gemacht werden. Das fand ich alles total schön, weil es mit dem zusammenpasst, wie ich so arbeite. Auf einer Messe haben wir uns dann wieder getroffen und so kam unsere Zusammenarbeit zustande, dass Ivon im Sommer in unserem Laden in Köln präsent war, um ein paar Modelle vorzustellen. Alle meine Mitarbeiter:innen haben sie geliebt und unsere Kundinnen waren hochgradig begeistert – eine wirklich schöne und ehrliche Zusammenarbeit, die wir künftig noch weiter ausbauen werden.
Für unseren Urlaub auf Sardinien habe ich jetzt einen VOLANS Badeanzug und Bikini im Gepäck. Ich war letztens auf Teneriffa und mir ist aufgefallen, dass ich nur doofe Bikinis dabei hatte, die mir “den Hals abschnüren”. Daraufhin habe ich Ivon angerufen und sie hat mir Modelle ins Hotel geschickt. Das war so toll, das werde ich ihr nicht vergessen
Wo geht ihr beiden am liebsten baden?
CLAUDIA: Ich liebe das Meer und ich liebe das italienische Leben, das Essen, die Kultur. Wir fliegen nicht oft und ich nehme mir auch nicht viel Urlaub, aber ich freue mich jetzt wahnsinnig nach Sardinien zu fliegen. Das ist einfach das, was wir hier in Deutschland nicht haben und da muss man etwas kompensieren.
ANNABELLE: Auch ich bevorzuge das Meer. Ich habe in der Vergangenheit längere Fernreisen gemacht, weil mich besonders Asien und Mittelamerika reizen. Dort war ich für eine längere Zeit, um möglichst viel mitnehmen zu können. Das hat mir sehr gut getan und mich in vielen Bereichen inspiriert.
“Wir ergänzen uns gut, wir mögen uns, wir respektieren uns. Ich glaube, dass wir sehr die Stärken der jeweils Anderen schätzen.”
Genauso wie unsere Gründerinnen Ivon und Mira, arbeitet auch ihr als Mutter und Tochter zusammen – und teilt euch sogar die Geschäftsführung. Welche Vorteile seht ihr im familiengeführten Unternehmen?
CLAUDIA: Ich bin mächtig stolz und glücklich über die Zusammenarbeit. Ich hätte mir das damals nie träumen lassen. Das hat sich einfach wirklich so “im Flow” entwickelt – durch ein Praktikum, das Annabelle bei uns gemacht hat und dann sagte: “Oh, da interessieren mich jetzt doch Themen”. Denn es war eigentlich nie die Bekleidung. Sie hat sich für den Bereich Marketing entschieden und ich glaube, wir wären auch gar nicht so bekannt und hätten nicht so eine klare Linie, wenn Annabelle nicht dagewesen wäre. Das passte einfach wunderbar. Wir ergänzen uns gut, wir mögen uns, wir respektieren uns. Ich glaube, dass wir sehr die Stärken der jeweils Anderen schätzen. Ich bin unglaublich dankbar darüber und habe durch sie gelernt, was Struktur bedeutet. Ich persönlich bin ein sehr emotionaler Mensch, reagiere ganz oft aus dem Bauch heraus und Annabelle ist eher die Besonnene und Strukturierte. Das ist ein ganz gutes Gefüge und wenn man die Qualitäten der Anderen schätzt und respektiert, funktioniert es super.
Und kann die enge Zusammenarbeit in bestimmten Momenten auch mal zur Challenge werden?
CLAUDIA: Darauf kannst du gerne antworten, Annabelle. Ich bin da fein mit (grinst).
ANNABELLE: Dadurch, dass wir offen miteinander kommunizieren können, halten sich die Challenges auf jeden Fall in Grenzen. Wir arbeiten jetzt schon so lange zusammen, dass wir uns so gut kennen und so gut miteinander können, dass da keine großen Probleme oder Konflikte entstehen, die wir dann ins Privatleben mitnehmen. Am Anfang war das sicherlich herausfordernder, als jede von uns erstmal ihre Rolle finden und ganz klar sagen musste: “Ok, das ist für mich fein und das nicht”. Natürlich verhält man sich im Arbeitsumfeld etwas anders als Zuhause. Dennoch schafft es auch einen wahnsinnig familiären Rahmen im gesamten Unternehmen, dadurch, dass wir diese Nähe eben zeigen.
Wie würdet ihr die jeweils Andere in 3 Worten beschreiben?
ANNABELLE: Emotional, visionär und stark.
CLAUDIA: Annabelle ist: ein wunderbarer Mensch (grinst). Annabelle ist sehr offen, sehr menschlich, sehr empathisch – einfach sehr toll.
Annabelle, welchen Einfluss hatte es auf dich, mit so einer Powerfrau wie deiner Mutter aufzuwachsen?
ANNABELLE: Spannende Frage! Also auf jeden Fall sehr prägend (lacht). Ich glaube, dadurch habe ich natürlich auch gelernt, mich ein Stück weit zurückzunehmen, weil diese starke Person an meiner Seite ist, auf die ich mich aber auch immer verlassen und von der ich vieles lernen konnte.
Welche Visionen habt ihr für die Zukunft? Worauf dürfen sich eure Kundinnen freuen?
CLAUDIA: Wir werden unsere DNA nicht verlassen und weiterhin allen Trends sowie dem Zeitgeist offen gegenüber bleiben. Das heißt, wir werden uns immer weiterentwickeln und natürlich auch schauen, was in der jetzigen Zeit wirklich wichtig ist. Wir werden die Dinge immer weiter hinterfragen und hoffentlich richtig gute Entscheidungen treffen. Aber ich möchte grundsätzlich nichts an dem Konzept, das wir haben, verändern – vielleicht eher weniger werden als mehr.
ANNABELLE: Wir wollen uns auch noch eigenständiger aufstellen, was Vertriebswege angeht und dieses Konzept von unseren Läden, die wir in Köln haben, auch in anderen Städten vorantreiben – also unsere nachhaltigen Concept Stores in andere deutsche Städte ausweiten.
Liebe Claudia, liebe Annabelle, danke für dieses unglaublich interessante Interview und eure tolle Arbeit, die ihr mit LANIUS leistet.